Personen ohne Aufenthaltsstatus
("Illegale")

2014: 180.000 bis 520.000 (nach D. Vogel 2016)

Tabellen und Diagramme


Personen, die sich ohne asyl- oder ausländerrechtlichen Aufenthaltsstatus, ohne Duldung und ohne behördliche Erfassung in Deutschland aufhalten, tun dies gesetzeswidrig, also illegal. Da der allgemein übliche Begriff "Illegale" teilweise als menschlich diskriminierend angesehen wird, verwendet man statt dessen auch Bezeichnungen wie "Migranten ohne Aufenthaltsstatus", "illegal aufhältige Drittstaatsangehörige", "irreguläre Bevölkerung" oder "Papierlose" .

Dazu gehören u. a. Als "Illegale" werden teilweise auch Schutzsuchende bezeichnet, die illegal mit gefälschten Papieren nach Deutschland einreisen oder ohne Papiere falsche Angaben machen. In fast allen diesen Fällen handelt es sich aber um Personen, die unmittelbar nach ihrer illegalen Einreise zwar kurzzeitig "illegal aufhältige Drittstaatsangehörige" sind, dann aber einen Ankunftsnachweis erhalten und sich somit nicht mehr illegal in Deutschland aufhalten. Dies betrifft nicht nur die hohe Zahl der 2015/16 illegal eingereisten Asylbewerber, sondern generell alle aus Griechenland kommenden Asylbewerber, auf die nach Entscheidung des Bundesinnenministers vom 19.01.2011 durch Wahrnehmung des Selbsteintrittsrechts das Dublin-Verfahren keine Anwendung findet.

Eine wissenschaftlich fundierte Übersicht zu diesem Thema bietet Dita Vogel (2016): Umfang und Entwicklung der Zahl der Papierlosen in Deutschland (Okt. 2016) und (2015): Update report Germany: Estimated number of irregular foreign residents in Germany (2014), Database on Irregular Migration, Update report (http://irregular-migration.net/).
Vogel nennt im Rahmen ihrer Schätzung für 2014 als Untergrenze für die Anzahl der "Illegalen" in Deutschland 180.000, als Obergrenze 520.000. Sie betont, dass die methodische Grundlage ihrer Schätzung nicht auf das Jahr 2015 übertragbar sei, da in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) 2015 wegen der unklaren Registrierung des Aufenthaltsstatus bei Aufgriffen nicht mehr klar zwischen Asylbewerbern und "Illegalen" unterschieden werden könne. Allerdings müsse wohl wegen der erheblich steigenden Zahl der Ablehnungen von Asylanträgen auch mit einem Anstieg der Zahl der "illegalen" in Deutschland ausgegangen werden: Nicht jede Ablehnungsentscheidung führt zu einer unmittelbaren Ausreisepflicht, da auch Personen z.B. wegen Krankheit oder anderen Abschiebehindernissen offiziell geduldet werden. Allerdings steigt mit der Zahl der Ablehnungen auch die Zahl derjenigen, für die sich die Frage nach einem Bleiben trotz Papierlosigkeit stellt. (Vogel 2016, S. 7)

Wie viele der in den letzten Jahren nach Deutschland eingewanderten, jetzt aber ausreisepflichtigen Personen in die Illegalität abgetaucht sind ist unbekannt. Eine entsprechende Auswertung des AZR könnte hierzu erste Aufschlüsse geben. Eine Sonderauswertung des AZR vom 31.07.2016 liegt dem IAB zwar vor, wird von diesem Institut aber nicht veröffentlicht (frdl. Mitt. v. St. Sirries, IAB, v. 22.03.2017).



ARCHIV (aus dem Jahr 2011):

D. Vogel / M. Aßner: Umfang, Entwicklung und Struktur der irregulären Bevölkerung in Deutschland. Expertise im Auftrag der deutschen nationalen Kontaktstelle für das Europäische Migrationsnetzwerk (EMN) beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Okt. 2011.

Der Forschungsstand zu diesem Personenkreis wurde 2003 in dem Buch "Leben in der Schattenwelt - Problemkomplex illegale Migration" des Jesuiten Jörg Alt zusammengefasst. Den dazu gehörigen (aktualisierten) Materialanhang mit Tabellen und Diagrammen mit sehr umfangreichen Daten stellte Alt auf seiner Internetseite "Illegal" zur Verfügung. Ausführlich werden dort auch verschiedene Schätzungen über die Anzahl der Illegalen in Deutschland vorgestellt, die nahelegen, dass 1,5 Mio. eine Untergrenze darstellen dürfte.

2005 wurde im Rahmen des Europäischen Migrationsnetzwerkes eine Studie "Illegal aufhältige Drittstaatsangehörige in Deutschland" durchgeführt (Ansprechpartner beim BAMF: Dr. Axel Kreienbrink). Dort heißt es u.a.
"Auch die sorgfältige Abwägung der zur Verfügung stehenden Datenquellen (Statistiken der Bundespolizei, Polizeiliche Kriminalstatistik, Asylstatistiken, Statistiken der Bundesagentur für Arbeit) erlaubt keine belastbaren Aussagen über den Gesamtumfang der Gruppe der illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen in Deutschland. Das Multiplikatorenprinzip ist als Schätzprinzip für eine Gesamtschätzung zu verwerfen. Als absolute Untergrenze dürfte die Zahl von 100.000 Personen gelten – als Obergrenze ist bei verschiedenen Autoren von bis zu einer Million illegal Aufhältiger die Rede. Von der Tendenz her ist nach einem Anstieg in den 1990er Jahren ein Stillstand oder sogar ein Rückgang wahrscheinlich – nicht zuletzt, weil seit dem 1. Mai 2004 durch die EU-Osterweiterung Bürger der neuen Mitgliedstaaten nicht mehr zur Gruppe der illegal aufhältigen Migranten gezählt werden können."

Im November 2006 fand eine vom Bundeskriminalamt organisierte Tagung zum Thema "Illegale Migration - Gesellschaften und polizeiliche Handlungsfelder im Wandel" statt, bei der führende Vertreter der Politik, Polizei, Forschung und Sozialhilfe ihre Meinungen zu diesem Thema darlegten.

In den letzten Jahren konzentrierte sich die Diskussion auf die Schulbildung von Kindern ohne Aufenthaltsstatus. Dazu erschien 2010 eine Studie, die auch eine Schätzung zur Gesamtzahl der sich illegal in Deutschland aufhaltenden Personen auf der Grundlage der Tatverdächtigen-Zahlen enthät: Dita Vogel / Manuel Aßner: Kinder ohne Aufenthaltsstatus – illegal im Land, legal in der Schule (Studie für den Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR)), [Hamburg] 2010.



ARCHIV (Text aus dem Jahr 2000):

Die vielfältigen und stark zunehmenden Probleme durch den illegalen Aufenthalt führten dazu, dass die Bundesausländerbeauftragte in ihrem jüngsten Bericht ausdrücklich eine
"verstärkte und fundierte Diskussion des Themas
auch und gerade in der Öffentlichkeit"
begrüßt.

Anders als in den USA liegen in Deutschland keine offiziellen Schätzungen darüber vor, wie viele Ausländer sich illegal hier aufhalten. Die Bundesausländerbeauftragte verweist lediglich auf verschiedene Schätzungen, die zwischen 500.000 und 1,5 Millionen Illegale in Deutschland vermuten (Bericht 2000, S. 139). Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auf die neuen Untersuchungen von D. Vogel: Illegaler Aufenthalt in Deutschland - Methodische Überlegungen zur Datennutzung und Datenerhebung (Zeitschrift für Bevölkerungswissenschaft, Hg. Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung beim Statistischen Bundesamt, 24. Jg. (1999), Heft 2, S. 165-185, mit ausführlichen Literaturhinweisen), die auf verschiedene Schätzmöglichkeiten und deren Voraussetzungen hinweist.

Aussagen über die Staatsangehörigkeit der Ausländer ohne Aufenthaltsstatus lassen sich - in statistisch verwertbarem, also größerem Umfang - derzeit nur durch die Polizeilichen Kriminalstatistiken der Bundesländer machen. Eine bundesweite Zuordnung ist aus Gründen des Datentransfers von den Landeskriminalämtern zum Bundeskriminalamt (in aggregierter Form) nicht unmittelbar möglich. Die Daten für Nordrhein-Westfalen und Bayern weisen allerdings darauf hin, daß Personen aus dem heutigen Jugoslawien (17.7% bzw. 24,3%), aus Polen (15,6% bzw. 7,4%) und der Türkei (11,5% bzw. 5,2%) stark vertreten sind.

Völlig unklar ist, in welchem Umfang die über 800.000 Ausländer als Illegale untergetaucht sind, die im AZR ohne Aufenthaltsstatus registriert sind. Es handelt sich dabei weitgehend um abgelehnte Asylbewerber, deren Status teilweise deswegen unbekannt ist, weil die zuständigen Ausländerämter keinen neuen Status an das AZR gemeldet haben.

Schätzung

Schätzungen bedürfen grundsätzlich einer "brauchbaren" Stichprobe. Hier sei als Beispiel auf die 1998 polizeilich ermittelten nichtdeutschen Tatverdächtigen hingewiesen: Ein unmittelbarer Vergleich von legalen Drittstaater-Tatverdächtigungen und illegalen Tatverdächtigen führt zu der Schätzung von etwa 1,8 Millionen Illegalen. Diese grobe Schätzung hat allerdings zwei

Voraussetzungen:
(1) Illegale werden aus den gleichen Gründen straftatverdächtig wie legale Drittstaater.
(2) Illegale werden mit der gleichen Wahrscheinlichkeit von der Polizei ermittelt wie legale Drittstaater.

Beide Voraussetzungen können modifiziert werden, was zu unterschiedlichen Ergebnissen führt:
(1) Illegale sind im Gegensatz zu Ausländern mit Aufenthaltsstatus schon deswegen tatverdächtig, weil sie allein aufgrund ihres illegalen Aufenthalts gegen das Ausländergesetz verstoßen. Umgekehrt können allerdings nur legale Drittstaater gegen zahlreiche Bestimmungen des Ausländer- und Asylrechts verstoßen, so dass überhaupt alle diese Vergehen bei einem statistischen Vergleich herauszunehmen wären.
(2) Unklar ist, ob Illegale sich weniger oder mehr als legale Drittstaater im Kriminellenmilieu aufhalten. Einerseits sind - so auch die Bundesausländerbeauftragte - Illegale zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts verstärkt auf strafbare Handlungen angewiesen, andererseits müssen sie aber auch besonders sorgfältig darauf achten, nicht auffällig zu werden. Im ersten Fall wäre die weitverbreitete Ansicht, Illegale seien besonders kriminell, bestätigt, im zweiten Fall wäre die geschätzte Anzahl der Illegalen in Deutschland u.U. erheblich höher als 1,8 Millionen.



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